Das Wechselmodell mit zwei Hauptwohnsitzen?

Das Bundesverwaltungsgericht 6 C 38/14 hat in seinem Urteil vom 30. September 2015 zu der Frage Stellung genommen, ob ein Kind, das im Wechselmodell betreut wird, zwei Hauptwohnsitze haben kann.

Ergebnis / Zusammenfassung:

Das bedeutet für Eltern in Erklärungsnöten:

Über diesen Umstand der Anmeldung der Wohnsitze kann man sich auch nicht beim Familiengericht streiten, da dies eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtsweges ist. Allerdings ist die Uneinigkeit der Eltern untereinander schon ein Indiz zu überprüfen, ob die Eltern nicht mehr konstruktiv miteinander reden müssten.

Sachverhalt des Urteils

Die Kindeseltern hatten sich getrennt - der Vater zog im Februar 2011 aus der Familienwohnung aus und bezog dort eine eigene Wohnung. Das Sorgerecht für die beiden minderjährigen Kinder - geboren 2000 und 2003 - steht dem Vater und seiner Ehefrau der Mutter gemeinsam zu.

Sie hatten vereinbart, dass die Kinder die Wohnungen beider Eltern genau gleichviel bewohnen (paritätisches Wechselmodell).

Das Einwohnermeldeamt trug die bisherige Familienwohnung als Hauptwohnung der Kinder, die neue Wohnung des Vaters als deren Nebenwohnung in das Melderegister ein.

Der Vater wollte mit seiner Klage erreichen, dass beide Wohnungen der Eltern als Hauptwohnungen der Kinder, hilfsweise beide Wohnungen ohne Bezeichnung als Haupt- oder Nebenwohnung im Melderegister einzutragen sind.

Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes

Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage des Vaters ab - aber aus verwaltungsrechtlichen und nicht familienrechtlichen Gründen, obwohl das eine das andere bedingt.

Die vom Vater angestrebten Eintragungen - sowohl seine Wohnung als auch der Wohnung der Ehefrau jeweils als Hauptwohnung zu benennen - würden das Melderegister unrichtig machen, weil diese Anträge melderechtlich zwingend ausgeschlossen sind; und nur dann hätte der Vater einen Anspruch auf die Berichtigung des Melderegisters gehabt. Die Besonderheit in diesem Fall – es gilt auch Landesrecht – der Fall spielt in Bayern, daher werden im Urteil des BverwG Normen des bayerischen Landesrechtes zitiert.

Zur Begründung führte das Gericht aus: „Hat ein Einwohner mehrere Wohnungen im Inland, so ist nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Melderechtsrahmengesetz (MRRG) eine dieser Wohnungen seine Hauptwohnung.“ ...

Dass dieser gesetzliche Grundsatz auch für minderjährige Einwohner gilt, die mehrere Wohnungen benutzen, folgt aus den meldegesetzlichen Regelungen, die sich eigens mit der Bestimmung der Hauptwohnung minderjähriger Einwohner befassen (§ 12 Abs. 2 Satz 3 MRRG; Art. 15 Abs. 2 Satz 3 BayMG).
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 MRRG (Art. 15 Abs. 1 BayMG) ist die Bestimmung einer von mehreren Wohnungen als Hauptwohnung auch dann erforderlich, wenn die Wohnungen in einer politischen Gemeinde liegen. Das Melderechtsrahmengesetz enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Grundsatz "ein Einwohner, eine Hauptwohnung" für diese Fallgestaltung nicht gilt.

Die vorwiegende Benutzung bestimmt sich danach, wo sich der Einwohner am häufigsten aufhält. Hierfür sind die Aufenthaltszeiten an den Orten, in denen sich die Wohnungen befinden, rein quantitativ festzustellen und miteinander zu vergleichen.
Hält sich ein Minderjähriger nach dem paritätischen Wechselmodell zeitlich genau gleichviel in den Wohnungen seiner getrennt lebenden Eltern auf, steht fest, dass er keine der beiden Wohnungen vorwiegend benutzt. Daher muss in diesen Fällen versucht werden, seine Hauptwohnung nach dem Hilfskriterium des Schwerpunkts der Lebensbeziehungen zu bestimmen. Es liegt nahe anzunehmen, dass beim Auszug eines Elternteils aus der Familienwohnung bis auf weiteres dort der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen der minderjährigen Kinder liegt. Denn die Kinder haben an dem Ort bzw. in der Umgebung dieser Wohnung zumindest einen Teil ihres bisherigen Lebens verbracht, während Ort bzw. Umgebung der neuen Wohnung des ausgezogenen Elternteils für sie in der Regel fremd sind. Diese Annahme trägt allerdings nicht, wenn wie im vorliegenden Fall beide Wohnungen in einer Gemeinde räumlich nahe beieinander liegen.

Steht fest, dass es nicht möglich ist, eine Hauptwohnung nach den Kriterien des § 12 Abs. 2 MRRG (Art. 15 Abs. 2 BayMG) zu bestimmen, kann der Betroffene diese Bestimmung durch Erklärung gegenüber den Meldebehörden vornehmen.
Demzufolge obliegt die Bestimmung der Hauptwohnung eines minderjährigen Einwohners in einem derartigen Fall den Personensorgeberechtigten; es handelt sich um eine Angelegenheit der elterlichen Sorge im Sinne von §§ 1626, 1627 BGB. Dies bedeutet, dass sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern über die Bestimmung einigen müssen.

Auch wenn sie dazu wie im vorliegenden Fall dauerhaft nicht in der Lage sind, scheidet die Anrufung des Familiengerichts nach § 1628 Satz 1 BGB aus, weil die Bestimmung seiner Hauptwohnung nicht von erheblicher Bedeutung für das Kind ist (OLG München, Beschluss vom 25. Januar 2008 - 12 UF 1776/07 - NJW-RR 2008, 1534).

Daher bleibt bei Berücksichtigung der meldegesetzlichen Wertungen nur, als Hauptwohnung des Kindes die Wohnung des Elternteils festzulegen, die bis zur Trennung der Eltern die alleinige Wohnung der Familie war. Hierfür spricht, dass sich die Lebensverhältnisse der Kinder nicht in einem melderechtlich relevanten Maß verändert haben, weil die neue Wohnung des ausgezogenen Elternteils weder vorwiegend benutzt wird noch sich dort der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen befindet.“