Umgang zwischen Eltern und in Pflegefamilie untergebrachtem Kind

Am 29.11.2012 erließ das Bundesverfassungsgericht – BVerfG einen Nichtannahmebeschluss zu dem Aktenzeichen 1 BvR 335/12. In diesem Besschluss ging es um das hochbrisante Thema, ob denn ein umgangs-unwilliges Kind zum Kontakt mit seinen Eltern gezwungen werden kann oder ob eine Umgangssperre mit den Kindeseltern vom Familiengericht verhängt werden kann.

Sachverhalt

Die Kindeseltern waren von September 1998 bis Januar 2000 verheiratet. Im Juli 1999 wurde in diese Ehe ein Sohn geboren. Die Eltern hatten noch drei weitere gemeinsame Kinder, die sie auch gemeinsam betreuen.

Noch während der Schwangerschaft trennten sich die Kindeseltern und ließen sich später scheiden. Nachdem die Mutter den kleinen Jungen drei Tage nach der Geburt im Krankenhaus zurücklies, wurde dieser in einer Pflegefamilie untergebracht. Dort lebt er noch heute – 14 jährig.

Die Kindeseltern heirateten wieder und hatten mit dem Sohn Umgang von zwei Tagen pro Woche. Im Rahmen eines von den Kindeseltern eingeleiteten Sorgerechtsverfahren wurde 2004 ein Sachverständigengutachten eingeholt, das zu dem Ergebns kam, dass eine Rückkehr des Kindes in die Ursprungsfamilie nicht geboten ist.

2006 wurden die Pflegeeltern von den Kindeseltern verdächtigt, das Kind körperlich zu mißhandeln. Als Folge wurde den Kindeseltern das Sorgerecht entzogen und sie erhielten einmal im Monat begleiteten Umgang. Dann lehnte der Kinderschutzbund eine weitere Begleitung der Umgangskontakte ab, weil der Kindesvater die Bedürfnisse des Kindes nicht erkenne und bei den Treffen eine emotional angespannte Atmosphäre herrsche.

Es fanden weitere Kontakte mit den Kindeseltern statt, die schlussendlich 2010 dazu führten, dass der Sohn selbst weitere Kontakte mit seinen Eltern ablehnte.

Die Kindeseltern versuchten nun den Kontakt und den Umgang mit gerichtlicher Hilfe zu erzwingen. Sie scheiterten – das Familiengericht verhängte eine Umgangssperre für die Kindeseltern - und schlussendlich lehnte sogar das Bundesverfassungsgericht diesen Wunsch in diesem Nichtannahmebeschluss ab.

Begründung der Kontaktsperre des Familiengerichts

„Bereits das Familiengericht war der Ansicht, dass ein unbegleiteter Umgang das Kindeswohl gefährde. Die Gutachten von Februar 2004 und Dezember 2006 sprächen von einem langjährigen schädigenden Verhalten des Kindesvater und von einer negativen Beeinflussung des Kindes gegen die Pflegeeltern bei den Umgangskontakten.
Gerade der Kindesvater war der Ansicht, das Kind gehöre aufgrund der Blutsverwandtschaft zu ihm und müsse in einer muslimischen Familie aufwachsen. Er stelle die primäre Bindung des Kindes zu den Pflegeeltern permanent in Frage, diskreditiere die Pflegefamilie öffentlich und habe sie 2006 mit Strafanzeigen belegt.

Seit der Zeit des Beschlusses vom Dezember 2007 könne bei den Kindeseltern weder ein Umdenken noch ein Lernfortschritt festgestellt werden. Sie könnten den Verbleib des Kindes bei seinen Pflegeeltern weiterhin innerlich nicht akzeptieren und nicht ansatzweise positiv begleiten.

Mehrfach habe der Beschwerdeführer beim pakistanischen Generalkonsulat um Unterstützung zur Wiedererlangung des Sorgerechts nachgesucht. Dieses Verhalten verursache bei dem Kind einen erheblichen Loyalitätskonflikt und eine psychische Destabilisierung. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführer ihre Position künftig änderten; so habe der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung daran festgehalten, dass es dem Kind in der Pflegefamilie nicht gut gehe.“ (Zit. Nichtannahmebeschluss des BverfG vom 29.11.2012)

Gang zum Verfassungsgericht

Gegen diese Entscheidung legten die Kindeseltern Beschwerde ein, der auch nicht abgeholfen wurde. Als (fast) letztes Mittel des Rechtsweges wurde das Bundesverfassungsgericht mit einer Verfassungsbeschwerde angerufen. Das Verfassungsgericht lies den Fall nicht zu und erließ diesen Nichtannahmebeschluss.

Damit blieb die Umgangssperre für die Kindeseltern in Kraft. Alle vorgebrachten angeblichen Verletzungen von Grundrechten waren erfolglos. Aus den Gründen:

„Soll das elterlichen Umgangsrechts mit einem in einer Pflegefamilie untergebrachten Kind eingeschränkt werden, so muss dies zum Schutz des Kindes im Einzelfall erforderlich sein, um eine konkrete Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwehren (vgl. BVerfG, 14.07.2010 - 1 BvR 3189/09 - BVerfGK 17, 407, 411).

Ggf. muss das Gericht auch einen dem Umgang entgegenstehenden Kindeswillen und die Folgen eines gegen diesen Willen angeordneten Umgangs berücksichtigen (vgl. BVerfG, 31.05.1983 - 1 BvL 11/80 - BVerfGE 64, 180, 191; EGMR, 25.09.2007 - 13301/05 Rn. 30).
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Das OLG durfte zudem die strengen Anforderungen für einen Umgangsausschluss als erfüllt ansehen und sich hierfür auf den entgegenstehenden Kindeswillen stützen. Auch die Verfahrensgestaltung ist nicht zu beanstanden. Das OLG durfte annehmen, dass die Ablehnung jeglichen Umgangs seitens des Kindes momentan nicht ohne Schäden überwunden werden könne und deswegen das Kindeswohl für den Fall der Durchführung von Umgangskontakten konkret gefährdet wäre. Da diese Erwägungen die Entscheidung selbstständig tragen, kann offen bleiben, ob auch aus dem Verhalten der Beschwerdeführer eine den Umgangsausschluss rechtfertigende Kindeswohlgefährdung abgeleitet werden kann.

Quelle: juris