Pflichtteilsverzichtserklärung vs. Elternunterhalt

Die Frage eines Mandanten von mir:

„Erlauben Sie uns, nochmals auf den Inhalt unserer Erstberatung bei Ihnen zurückkommen zu dürfen. (Es ging darum, seine Kinder - nicht die gemeinsamen Kinder mit der Ehefrau - um einen Pflichtteilsverzicht ohne Abfindung zu bitten).

Nachdem wir die künftigen Verzichtenden – meine Kinder - über unsere weiteren Schritte in diesem Anliegen informiert haben, ergibt sich eine noch zu klärende Rechtsfrage. Meine Kinder weisen darauf hin, dass mit dem Pflichtteilsverzicht kein künftiger Ausschluss/Freistellung der Kinder vom Elternunterhalt und -pflege rechtlich möglich sei.

Unsere Bitte an Sie:

Haben die Kinder in dieser Sache Recht?
Erlauben die rechtlichen Gesetze zur Pflege der Eltern in Deutschland
bei Pflegebedürftigkeit keine generelle, notarielle Freistellung von dieser Pflicht?

Wir danken Ihnen für Ihre erneute Mühewaltung und erwarten gern
Ihre Antwort.“

Meine Antwort: Leider muss ich Ihnen bestätigen, dass man Elternunterhalt (§1601 ff. BGB) nicht - auch nicht notariell - ausschließen kann, denn das wäre sittenwidrig. Ob es die Möglichkeit einer innerfamiliären Freistellung gibt, die auch gegenüber Dritten wirkt, mag ich nicht beantworten.

Genauso wenig wie die Kinder auf den Kindesunterhalt verzichten konnten, können Sie auf den Elternunterhalt für die Zukunft verzichten.

Sollten Ihre Kinder dann auch noch auf den Pflichtteil nach Ihrem Tod verzichtet haben, wären sie doppelt bestraft.

Denn selten ist es so, dass die Eltern den Elternunterhalt gegen ihre Kinder geltend machen. Das erledigt meist der Sozialleistungsträger, auf den der Anspruch z.B. bei einer Einweisung ins Pflegeheim übergegangen ist.

Wenn Ihre Kinder „normal-Verdiener“ sein sollten, ist die „Gefahr“ auch relativ gering, dass sie in Anspruch genommen werden. Denn wenn die Unterhaltsberechnung beim Kindesunterhalt schon kompliziert war, so ist sie es noch viel mehr beim Elternunterhalt.

Die Regelungen über Bedarf, Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit sind wie bei allen Unterhaltsansprüchen zwischen Verwandten anwendbar. Allerdings fällt beim Elternunterhalt eines ins Gewicht: Es wird berücksichtigt, dass erwachsene Kinder sich selbst bereits ein Leben aufgebaut haben, mit vielen finanziellen Verpflichtungen.

Berücksichtigt wird dies als besonderer Maßstab für die Leistungsfähigkeit, insbesondere in § 1603 BGB. Wirklich nur dann, wenn Ihr Kind im Zeitpunkt des Bedarfs (also wenn das Geld benötigt wird), leistungsfähig ist, ist eine Unterhaltspflicht gegeben.

In der Praxis haften häufig auch mehrere Kinder nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen anteilig, § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB. Ein wichtiger Punkt ist, dass die Kinder auch nur als Teilschuldner haften und nicht als Gesamtschuldner.

Der Unterschied zwischen Teil- und Gesamtschuldner ist der, dass sich bei Vorliegen einer Gesamtschuldnerschaft der Gläubiger das reichste Kind aussuchen könnte und von dem dann alles fordern könnte.

Bei Teilschuldnerschaft ist das anders. Erst wenn feststeht, welches Kind wie „reich“ ist, können die Haftungsanteile für jedes Kind berechnet werden.

Das in Anspruch genommene Kind kann von den anderen Kindern in diesen Fällen Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse – auch des Ehegatten – verlangen. ABER: Der Ehepartner des Geschwisterkindes ist nicht unmittelbar zur Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen verpflichtet. Da das Sozialamt – anders als das in Anspruch genommene Kind - selbst einen Auskunftsanspruch auch gegen die Ehegatten der übrigen Geschwister hat, kommt das in Anspruch genommene Kind über diesen „Umweg“ dann zu den gewünschten Erkenntnissen.

Eine Klage des Sozialamtes ohne Darlegung der Haftungsanteile der übrigen Geschwister ist unschlüssig und würde deshalb abgewiesen werden. Das in Anspruch genommene Kind kann den Elternunterhaltsanspruch daher solange zurückweisen, bis die Anteile der Geschwister dargelegt worden sind.